🦌 Der sanfte Riese

Manche Werke kündigen sich nicht laut an.

Sie schleichen sich leise in die Werkstatt – mit einer Präsenz, die man nicht ignorieren kann.

So war es mit ihm.

Dem sanften Riesen.

Ein kapitaler Hirschkopf, stark im Ausdruck, mächtig im Geweih, doch in sich ruhend.

Als ich ihn zum ersten Mal in Händen hielt, spürte ich:

Hier ist kein stürmischer Junger, kein Wildling.

Hier stand etwas vor mir, das Leben erlebt hat.

Sein Alter war in jeder Faser spürbar – nicht als Schwäche, sondern als Würde.

Ein Gemüt wie ein ruhiger See im Morgengrauen.

Sanft, stabil, wissend.

Ich begann, ihm ein Gesicht zu schenken.

Nicht irgendeines.

Eines, das seine innere Größe nicht überdeckt, sondern betont.

Ich entschied mich für ein Material, das ich liebe: Muttern.

Metallene Kreise, die für mich wie kleine Planeten sind – geordnet, verbindend, stark.

Sie formten sich unter meinen Händen zu einem Ausdruck, der zu ihm passte.

Er ließ es geschehen.

Fast so, als hätte er selbst geführt.

Wie bei vielen meiner Arbeiten war es keine bloße Gestaltung –

es war ein Zwiegespräch.

Zwischen mir und ihm.

Zwischen Feuer und Stahl.

Zwischen Altem und Neu-geborenem.

Seine Augen – die ich bewusst eingebracht habe – blicken nun wachsam in die Welt.

Nicht drohend. Nicht abschreckend.

Wachsam wie ein Hüter, nicht wie ein Wächter.

Sie sind offen.

Sehend.

Lebendig.

Jetzt, da er vollendet ist, ist er bereit.

Bereit, über ein Haus zu wachen, das ihn verdient.

Ein Raum, der ihn nicht nur aufhängt, sondern empfängt.

Denn wer ihn betrachtet, spürt:

Er ist nicht Dekoration.

Er ist ein Wesen mit Geschichte.

Mit Anmut.

Mit Größe.

Mit einer Präsenz, die Wände nicht nur schmückt –

sondern erfüllt.

Und hier ist er.

An der Wand.

Mächtig.

Stolz.

Und dennoch voller Sanftheit.

Der sanfte Riese.

Er bleibt nicht in meiner Werkstatt.

Aber ein Stück seiner ruhigen Kraft wird dort zurückbleiben.

Als Erinnerung –

dass auch Größe leise sein darf.

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